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Säulen, Sonne und Stirnrunzeln in Priene, oder: Archäologische Forschungen, wie sie wirklich sind

Jeden Sommer arbeitet ein Team der Goethe-Universität in einer antiken Stadt an der türkischen Westküste. Andere machen dort Urlaub – wir hacken, vermessen und rekonstruieren. Was alles zu einer Ausgrabung gehört, erfahrt ihr bei uns!

28. Sept. 2024
15:00-16:00 Uhr

Stand 3

Unser Projekt

Das Forschungsprojekt der Goethe-Universität Frankfurt a.M. ist Teil der internationalen archäologischen Grabung in der antiken Stadt Priene, gelegen in der heutigen Westtürkei nahe der Mittelmeerküste. Seit 25 Jahren sind Frankfurter Dozentinnen und Dozenten sowie Studierende in der unter türkischer Leitung stehenden Unternehmung eingebunden.

Bei Priene handelt es sich um eine griechische Stadt, die um 350 v. Chr. an einem sehr steilen Hang des Mykalegebirges von Grund auf neu errichtet wurde. Der Stadtplan zeigt ein Rastersystem, alle Wohnviertel und öffentlichen Räume besaßen feste Maße und Proportionierungen. Bewohnt wurde die Stadt, die von West nach Ost nur ca. 600 m breit ist, bis in das 14. Jahrhundert nach Christus. Somit gab es im Laufe der Zeiten viele Veränderungen der Stadtstruktur, die Religionen wechselten vom profanen Götterkulten zum christlichen und jüdischen Glauben, und auch die politischen Abhängigkeiten wandelten sich. Das alltägliche Leben der Bewohner kann durch die Ausgrabungen in großen Zügen nachvollzogen werden.

Aktuell werden von uns – finanziert durch zwei kleinere Stiftungen – einerseits der Teilwiederaufbau von bis zu 120 Meter langen Hallengebäuden sowie die denkmalpflegerische und geländestrukturierende Präsentation des einst größten Marktplatzes durchgeführt. Vor noch neun Jahren war hier nichts von den antiken Gebäuden zu erkennen, weil meterhohe Steintrümmerhaufen das Gelände be- und verdeckten. Mittlerweile sind große Bereiche freigeräumt worden, Bäume wurden gefällt und viele Mauern und Säulenstellungen aufgebaut.

Das andere Projekt besteht in der Erforschung des nördlichen Geländestreifens, ein sehr steiles Areal unterhalb der Felswand der Akropolis. Seit 2020 begehen wir das von Pinien und Steineichen bewachsene Gelände, das zudem von kleinen und sehr großen Felsbrocken übersät ist, die über die Jahrhunderte vom Felshang herabgefallen sind. Bislang nahm man an, dass in antiker Zeit hier Bäume angepflanzt waren, die vor den Felsen schützen sollten. Bei unserem Survey kam heraus, dass hier oben aber Gärten lagen und sich in den unteren Zonen Wohnhäuser befanden. Die Nutzfläche der antiken Stadt war also viel größer als angenommen und der Stadtplan von Priene wird Kampagne für Kampagne mehr gefüllt.

Unser Team

Etwa 25 bis 30 Personen gehören zum internationalen Grabungsteam. Dazu zählen Studierende der Archäologie und Bauforschung von vielen Universitäten in der Türkei und Deutschland (besonders aus Frankfurt), Steinrestauratoren, Keramikspezialisten und ein Vermesser. Gesprochen wird Türkisch, Deutsch und Englisch. Gewohnt wird in einem Grabungshaus, das vor 130 Jahren gebaut wurde. Da dessen Zimmer aber bei weitem nicht ausreichen, mieten wir Zimmer in der einzigen Pension vor Ort an und bringen seit kurzem auch Personen in Containern neben dem Grabungshaus unter. Köchin und Helferin sorgen für das leibliche Wohl. Die Arbeitszeiten sind lang, oft wird bis in die Nacht ausgewertet und die Feldarbeiten des nächsten Tages vorbereitet.

Für die Studierenden aus Frankfurt ist es eine tolle Chance, in so ein Forschungsprojekt hineinschnuppern zu können. Und, wer einmal dabei, möchte im nächsten Jahr wieder mit … Es ist ein konzentriertes Leben, ohne große Ablenkungen wie sonst im deutschen Alltag. Hier lernt man Dinge, die im Studium nicht vorkommen. Wie erkenne ich bei drei im Gelände liegenden Steinen, ob es sich um eine Mauer handelt, aus welcher Zeit ist das kleine Scherbenfragment, gehören die Kleinfunde wie Terrakotten oder Metallobjekte zum Hausinventar oder sind sie vielleicht Weiheobjekte, die Gottheiten geschenkt wurden? Auf welche Weisen wird dokumentiert, was gefunden wurde, und wie kommt das alles dann in den digitalen Stadtplan? Wie ist es, bei 35 ° C die Hänge in der prallen Sonne rauf und runter zu laufen, beladen mit sperrigem Ausrüstungsmaterial. Kurz: Wir bewegen uns hier tagein, tagaus oft jenseits der Komfortzone, das aber mit viel Begeisterung!